„Kein Mensch muss müssen und ein Derwisch müsste.“ Ich habe nicht viele Werke der deutschen Literaturgeschichte gelesen in der Schule. Und diejenigen, die ich gelesen habe, fand ich bis auf zwei Ausnahmen katastrophal. Einzig Lessings Nathan der Weise hat mich voll überzeugt. Dieses Zitat prägt mittlerweile mein Leben, es ist für mich ein Art Kodex geworden, denn ich habe mich all zu oft davon treiben lassen, was andere von mir erwarten bzw. was ich denke, was andere von mir erwarten. Zum Jahresende an Weihnachten und Silvester kommen diese alten Gefühle wieder hoch, denn man wird einfach von so vielen Seiten bombardiert mit Eindrücken, kritischen, abwertenden Fragen und den Vorstellungen der Gesellschaft. 

Kein Mensch muss müssen und ein Blogger müsste. Ich habe mich anfangs oft selbst unter Druck gesetzt. Was machen andere Blogger? Wie oft posten sie ein neues Bild, einen neuen Beitrag? Was machen sie alles? Die Jagd nach mehr Followern und Reichweite treibt schon kuriose Blüten. Irgendwann wurde mir das zu viel und ich habe die Notbremse gezogen. Nach einer Auszeit blogge ich jetzt, wenn ich Lust dazu habe. In den Sozialen Medien hört man von mir was, wenn ich gerade Freude daran habe, dann aber auch mal 10 oder mehr Tage gar nichts. Jeder Marketingchef würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Aber ich bin niemandem Rechenschaft schuldig, was ich auf meinem Blog mache, wie oft ich was poste, wie mein Gottverdammter Feed aussieht (Das ist mir tatsächlich egal ;-)). Wenn ich Spaß daran habe, dann mache ich das und wenn nicht, dann lass ich es!

Kein Mensch muss müssen und ein Single müsste. Liebe Vergebenen, Verwandten, Freunde, ihr müsst euch nicht um mich Sorgen! Ich muss mich nicht rechtfertigen, dass ich Single bin, ich muss euch nicht erzählen, wie glücklich oder wie unglücklich ich darüber bin. Ich muss euch nicht erzählen, was ich alles unternehme, um endlich eine Partnerin zu finden, um zu heiraten, ein Haus zu bauen und Kinder zu kriegen! Das ist verdammt nochmal mein Leben und ich bin niemandem Rechenschaft schuldig. Wenn ich darüber reden will, dann mache ich es freiwillig und ansonsten lasst mich mit euren „Vorstellungen“ in Ruhe.

Kein Mensch muss müssen und ein Hochsensitiver müsste. Bitte versteht endlich, dass jeder Mensch anders ist. Ich habe überhaupt keine Lust auf eine Party zu gehen, oberflächliche Kommunikation zu betreiben und Unmengen alkoholischer Getränke in mich einzufüllen. Hast du Lust dich mit mir zu unterhalten, dann lass uns in einem ruhigen Restaurant treffen und wir können stundenlang reden. Auch brauche ich kein Mitleid, wenn ich Silvester lieber gar nicht, als mit Leuten, bei denen ich mich unwohl fühle, feier. Ich muss auch nicht an Weihnachten acht Stunden bei der Familie sitzen und erzählen, wie toll ein jeder ist und was er alles tolles geleistet hat. Ich nehme mir gezielt Pausen an der frischen Luft, in meinem Zimmer oder sonst wo, wo ich durchatmen kann und den Akku neu laden kann.

Kein Mensch muss müssen und ein Berater müsste. Wenn ich als Berater mit dem Zug unterwegs bin, fühle ich mich manchmal wie ein Exot im Zoo. Da sitze ich äußerlich kaum unterscheidbar von den ganzen Schlipsträgern. Doch ich Ruhe in mir, ziehe ein gutes Buch hervor und tauche in eine Fantasywelt ab während um mich Laptops und Handys gezückt werden. Zwischen einem wichtigen Call und der Vorbereitung einer tollen Präsentation wird dann mir noch ein mitleidiger Blick zugeworfen, der wohl sagt: „Du tust mir leid, denn mit deiner Arbeitseinstellung wirst du es nie zu etwas bringen.“ Euch sei gesagt, das will ich gar nicht. Ich arbeite um zu leben und nicht umgekehrt! Ich arbeite viel lieber in Ruhe und für mich allein, da schaffe ich in kurzer Zeit mehr, als in 4 Stunden Bahnfahrt. Ich arbeite wann und wo es für mich am besten ist und ich bin nicht davon abhängig, dass jeder sieht, wie hart ich arbeite.

Kein Mensch muss müssen und ein Sohn/Bruder müsste. Als Sohn und Bruder bin ich meiner Familie dankbar. Dankbar, dass sie mich mit Büchern in Kontakt gebracht hat, dankbar, dass ich immer unterstützt wurde, dankbar für die größtenteils gute Erziehung. Dennoch müsst auch ihr begreifen, dass ich mein eigenes Leben lebe. Was für euch gut ist, muss nicht für mich gut sein. Auch muss ich euch nicht alles erzählen oder gar mich rechtfertigen für meine Entscheidungen. Ich muss auch nicht über Weihnachten acht Tage bei euch sein. Denn in erster Linie möchte ich über Weihnachten ein paar schöne Tage mit der Familie verbringen. Ihr müsst mich auch gar nicht verstehen, sondern akzeptieren und respektieren. Solange ihr diese Grenze nicht überschreitet, komme ich gerne wieder, aber ich schulde euch auch gar nichts.

All diese Dinge sind mir in 2017 widerfahren. Ich gehe aber momentan meinen Weg konsequenter denn je. Ich weiß, was ich will. Gerade als introvertierter und hochsensitiver Mensch tut man sich schwer sich selbst an erste Stelle zu stellen. Für mich war es ein harter Lernprozess. Ich habe oft meine eigenen Interessen zurückgesteckt um Erwartungen anderer gerecht zu werden. Man muss lernen auf seine eigenen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen und genau das ist mein großes Ziel für 2018! Und euch möchte ich einfach nur sagen: Steht zu euch und habt den Mut ihr selbst zu sein!

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